Hinweis
Trigeminusneuralgie
Es handelt sich um eine chronische Schmerzerkrankung, die mit plötzlich einschießenden und streng einseitigen Gesichtsschmerzen (im Versorgungsgebiet des N. trigeminus) einhergeht.
Merke
Leitsymptome der Trigeminusneuralgie
- blitzartig einschießende Schmerzen im Augen-, Wangen- oder Mundbereich einer Gesichtshälfte, unerträglich starke, auch brennende Schmerzen
- Schmerzen dauern Sekunden bis zu 2 Min., es kann evtl. bis zu 100 Schmerzattacken am Tag kommen, die v.a. durch Reize, wie z. B. Waschen, Zähneputzen, Rasieren, Kauen, Sprechen ausgelöst werden
- Hautrötung, Tränen- oder Speichelfluss nach den Schmerzen, evtl. Muskelzuckungen
Pathophysiologie
Die Trigeminusneuralgie ist eine eher seltene Erkrankung mit jährlich etwa 5 Neuerkrankungen auf 100 000 Personen. Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer; der Altersgipfel liegt zwischen dem 50.–80. Lebensjahr für die idiopathische Form (bei der definitionsgemäß keine Ursache bekannt ist). Es gibt jedoch zunehmend Hinweise dafür, dass Gefäßschlingen, die den Nerv einklemmen, die Erkrankung auslösen.
Bei der symptomatischen Form ist eine Ursache nachweisbar, z. B. multiple Sklerose, Gefäßläsionen, Zustand nach Herpes-zoster-Infektion und Schädelbasisfrakturen.
Symptome
Charakteristisch ist ein blitzartig einschließender, sehr heftiger Schmerz („wie ein Messerstich“), der meist nur einige Sekunden andauert und im Bereich des 2. (Oberkiefer) und/oder 3. Trigeminus-Astes (Unterkiefer) auftritt. Solche Attacken sind bis 100-mal pro Tag und über Wochen und Monate möglich. Vegetative Begleitsymptome wie Hautrötung, Tränen-, Nasen- und Speichelsekretion können auftreten. Typische Trigger sind Sprechen, Kauen, Schlucken, Berührung im Gesicht oder einfach nur ein (kalter) Luftzug. Die vielen alltäglichen Triggerfaktoren können zu einem massiven Vermeidungsverhalten und einer depressiven Reaktion führen.
Diagnostik
Auch hier sind Anamnese und klinischer Befund so typisch, dass weitere diagnostische Maßnahmen dem Ausschluss einer symptomatischen Form dienen. Neben der klinisch-neurologischen Untersuchung wird mittels Bildgebung (MRT) nach möglichen anderen Ursachen (v. a. Tumor im Kleinhirnbrückenwinkel, knöcherne Prozesse oder Gefäßschlingen) gesucht. Ein Trigeminus-SSEP kann eine Schädigung des N. trigeminus objektivieren, mit einer Liquordiagnostik können entzündliche Ursachen ausgeschlossen werden.
Schulmedizinische Therapie
Vorsicht
Klassische Analgetika sind nicht wirksam!
Zum Einsatz kommen Antikonvulsiva (z. B. Carbamazepin, Gabapentin). Sollten die Schmerzen trotz medikamentöser Therapie weiterbestehen, kann man einen operativen Eingriff in Erwägung ziehen, bei dem entweder
- eine als Ursache identifizierte Gefäßschlinge vom Nerv „entfernt“ wird (Polsterung zwischen Gefäß und Nerv; auch als Operation nach Jannetta bezeichnet) oder
- die Schmerzfasern im Ganglion Gasseri – das ist der „Nervenknoten“, aus dem die 3 Endäste des N. trigeminus hervorgehen – absichtlich geschädigt werden.
Naturheilkundliche Therapie
In Anbetracht der Schwere der akuten Schmerzattacken spielt die Naturheilkunde bei der Therapie der Trigeminusneuralgie nur eine untergeordnete Rolle.
Biochemie nach Dr. Schüßler: Bei akuten Schmerzen werden Nr. 5 Kalium phosphorcium D 6 im Wechsel mit Nr. 7 Magnesium phosphorcium D 6, eingesetzt. Bei chronischen Beschwerden kommt als Zwischenmittel Nr. 2 Calcium phosphorcium D 6 zur Anwendung. Spezielle Symptome können z.B. auch folgende Schüßler-Salze anzeigen:
- 3 Ferrum phosphoricum: als Folge von Erkältung, stechender Schmerz, der sich beim Bücken, Erschütterung oder Wärme verschlimmert
- 5 Kalium phosphoricum D 6: bei Neuralgie durch seelische Erregung; meist schwächliche, nervöse, allgemein empfindliche Personen
- 6 Kalium sulfuricum D 6: Verschlimmerung bei Witterungswechsel, bei feuchtem Wetter, Nebel
Chinesische Medizin: Eine Wind-Kälte-Invasion, aber auch ein Magen- und Leber-Feuer sowie ein Nieren-Yin-Mangel können aus Sicht der TCM eine Trigeminusneuralgie verursachen. Die Differenzierung erfolgt nach Schmerzlokalisation und -ausbreitung sowie nach Syndrommuster. Durch eine Akupunkturbehandlung im schmerzfreien Intervall lassen sich Intensität und Frequenz des Anfalls positiv beeinflussen, zudem lassen sich schulmedizinische Medikamente einsparen. Die Behandlung kann sich, je nach zugrundeliegendem Muster, über einen längeren Zeitraum erstrecken und sollte 2–3-mal wöchentlich erfolgen. Im akuten Schub darf nicht in der Schmerzregion genadelt und kein Triggerpunkt genadelt werden, weil ein Anfall provoziert werden kann.
Homöopathie: Als homöopathische Konstitutionsmittel kommen insbesondere Aconitum, Arsenicum album, Belladonna, Chamomilla, Colocynthis, Gelsemium, Ignatia, Magnesium phosphoricum, Mercurius solubilis, Natrium muriaticum, Rhus toxicodendron, Silicea, Spigelia infrage. Charakteristische Allgemein- und Gemütssymptome können allerdings auch auf ein anderes Konstitutionsmittel verweisen.
Manuelle Therapie, Osteopathie: Ziel der osteopathischen Behandlung ist es, die Trigeminusreizung zu reduzieren bzw. zu beseitigen durch Beeinflussung der mechanischen (z.B. Druck an der Durchtrittstelle des N. vagus oder Zug am Durasack) oder neurologischen Ursachen. Eine optimale Blutversorgung und Drainage des Trigeminus und der umgebenden Gewebe unterstützen das Abklingen entzündlicher Prozesse (Spannung in den Halsfaszien und thorakales Outlet). Der Fokus liegt bei kranialen Techniken auf der Tide, damit steigert man allgemein die Vitalität und dämpft das zentrale Nervensystem. Mit rhythmischen Mobilisationstechniken aus dem General Osteopathic Treatment (GOT) lockert man das verspannte Gewebe und regt den Parasympathikus an. Mit faszialen Techniken im Brustbereich öffnet man das Outlet, Wirbelblockaden können mit Sutherland-Techniken minimal invasiv gelöst werden.
Orthomolekulare Medizin: Verabreicht werden hochdosierte B-Vitamine („Nervenvitamine“), sie wirken schmerzlindernd und durchblutungsfördernd und haben nachweislich eine gute Wirksamkeit bei neuralgischen Beschwerden.
Phytotherapie: Bei Neuralgien wirken Einreibungen mit kühlenden Heilpflanzenölen wie z.B. Kiefern- und Fichtennadelöl oder durchblutungsfördernd wirkenden Heilpflanzen, z.B. Cayennepfefferextrakte, Senfmehl beschwerdelindernd. Kühlende Heilpflanzenöle verzögern die Schmerzweiterleitung. Die Schmerzlinderung bei hyperämisierend wirkenden Heilpflanzen beruht auf der sog. Counterirritation: Der Entzündungsreiz und dessen Wirkung auf die Entzündungsmediatoren führt zur Bildung von körpereigenen entzündungshemmenden und schmerzlindernden Proteinen, welche die Schmerzen in den Nerven und Muskeln mildern.