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Pflanzenheilkunde

Vogelknöterich (Polygonum aviculare)

Geschichte

Abbildung 1. Vogelknöterich, Pflanzen mit Stängel, Blättern und Blüten.
Abbildung 1. Vogelknöterich, Pflanzen mit Stängel, Blättern und Blüten.

Nach Dioscurides soll der Vogelknöterich Blutspeien, Cholera und Harnzwang heilen. Plinius nennt die Pflanze sanguinaria, da der Saft das Nasenbluten stille und in Wein getrunken auch den Blutfluss aus jeglichem Körperteil, ebenso dem Brechdurchfall ein Ende mache.

Hieronymus Bock schrieb in seinem Kreütter Buch aus dem Jahre 1539, der Wegsitzer sei „nützlichst under allen gemeynen kreutern, in rotem Wein gesotten oder das gebrannte Wasser davon mit seinem Samen eingenommen, stillt alle Bauchflüssen, Kotzen, Blutspeien und übrige Weiberkrankheit.“ Äußerlich wendet er ihn an bei „schwärenden Ohren, faulem Zahnfleisch, hitzigen Wunden und alten Schäden, namentlich der Genitalien“.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Vogelknöterich als Geheimmittel gegen Schwindsucht, Asthma bronchiale und Lungenkrankheiten angepriesen. Sebastian Kneipp lobte ihn in seiner Wirkung bei Lungentuberkulose, gegen Steinleiden, er löse Nieren- und Blasensteine, reinige Magen und Leber und sei hilfreich bei Brechdurchfall von Säuglingen. Er verwendete ihn in seinem Kieselsäuretee.

Botanischer Steckbrief

Vogelknöterich ist auf der ganzen Welt – außer in Afrika – verbreitet. Die Art ist sehr formenreich und zeigt sich in verschiedenen botanischen Spielarten. Er bevorzugt Ruderalstandorte wie z.B. Schutthalden, Brachen, Straßen- und Wegränder oder Bahndämme und Unkrautfluren, er wächst auch zwischen Straßenpflaster. So bekam er die Namen Angerkraut oder Wegtritt. Abhängig von dem Untergrund, auf dem er wächst kann er auf der Erde kriechen oder sich aufrichten. Die verzweigten Stängel tragen wechselständig angeordnete schmale und spitz zulaufende Blätter ohne Stiel. Am Blattgrund enden sie jeweils mit einer häutigen, silbrig glänzenden Blattscheide (Ochrea), die an der Basis bräunlich ist. Die wunderhübschen kleinen Blüten stehen zu 1–3 in den Blattachseln, sind unscheinbar, trichterförmig und weiß-grün. Ihre 5-teilige Blütenhülle ist an den Zipfeln manchmal rosa gefärbt. Die Früchte sind braune oder schwarze dreikantige kleine Nüsse. Blütezeit ist Mai bis September.

Als Arzneidroge verwendet werden die getrockneten, blühenden oberirdischen Teile, bestehend aus Blättern, Stängeln und Blüten (Polygoni herba).

Signatur

Polygonum leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet etwa viele Knie. Avicula ist das Vögelchen. Die Vögel – besonders die Spatzen – picken als Winterfutter liebend gerne die zahllosen Samen am Wegesrand. Knöterich bezieht sich ebenso auf die vielen Knoten in den Stängeln. Wer, wie in einem Zeitraffer, das Wachstum eines Knöterichs verfolgt, wird feststellen, wie viel Sorgfalt die Pflanze auf den Bau eines Knotens verwendet und lange dort verweilt; und wie schnell sie dann zum nächsten weiter eilt –, um auch den wieder mit großer Sorgfalt zu bauen.

Inhaltsstoffe und Wirkung

Vogelköterichkraut hat folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:

  • 4% Gerbstoffe, Gallotannine, Catechine
  • 0,2–1% Flavonoide, u.a. Hyperosid, Kämpferol, Quercetin, Aviculanin
  • 1% Kieselsäure
  • Schleimstoffe
  • Cumarinderivate, z.B. Umbelliferon
  • Phenolcarbonsäuren
  • Lignan (Aviculin)
  • Naphthochinone

 Vogelknöterichkraut hat folgende Wirkungen:

  • expektorierend
  • diuretisch
  • adstringierend
  • hemmt die Thrombozytenaggregation (in vitro)
  • ACE-Hemmer (in vitro)

Anwendungsgebiete/Indikationen

Vogelknöterichkraut kann eingesetzt werden bei folgenden Indikationen:

  • leichte Katarrhe der Atemwege, Bronchitiden
  • Wundbehandlung (auch als frisches Kraut)
  • Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut (Gurgeln)

Fallbeispiel

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Vogelknöterich gilt als UnKraut – und da er weit verbreitet ist, lässt er sich ganz leicht zur Blütezeit sammeln und als Vorrat trocknen. Die 36-jährige Frau B. litt immer wieder unter Zahnfleischentzündungen und schmerzhaften Aphten im Mund. Ein Verzicht auf Zucker und Schokolade hatte bereits Besserung gebracht, aber das Zahnfleisch blieb empfindlich und ab und zu zeigten sich neue Aphten. Sie sammelte den Vogelknöterich auf ihrem täglichen Spaziergang und kochte sich daraus einen Tee, den sie jeden Abend und Morgen trank und tagsüber einige Male damit gurgelte. Nach einigen Wochen regelmäßiger Anwendung war die Schleimhaut im Mund nicht mehr so empfindlich und es waren keine Aphthen mehr aufgetaucht. Insgesamt fühlte sie sich stabiler und belastbarer.

Indikationen nach HMPC, WHO, Kommission E, Monografien

Das HMPC hat Vogelknöterichkraut als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft. Vogelknöterichkraut kann zur inneren Anwendung bei einer banalen Erkältung eingesetzt werden, ebenso wie zur Erhöhung der Harnmenge und damit zur Durchspülung der Harnwege unterstützend bei leichten Harnwegsbeschwerden. Die äußere Anwendung sieht vor: leichte Entzündungen im Mund- und Rachenraum. Die Kommission E nennt die innere Anwendung bei leichten Katarrhen der Luftwege und die äußere ebenso bei entzündlichen Veränderungen der Mund- und Rachenschleimhaut.

Die WHO erwähnt Wirkungen bei Gingivitis, die klinisch belegt sind. In Laboruntersuchungen wurden weitere Eigenschaften von Extrakten aus dem Vogelknöterich festgehalten, z.B. ein blutdrucksenkender Effekt durch eine krampflösende Wirkung auf die Gefäßinnenwände, die eine Aggregation der Blutplättchen verhindert. Zudem wurde festgestellt, dass die Arzneidroge die Leber schützt und damit hepatoprotektiv wirkt, dass sie Entzündungen hemmt und gegen Insekten wirkt.

Indikationen nach Erfahrungsheilkunde

In der Volksheilkunde wird Vogelknöterich äußerlich zur Behandlung schlecht heilender Wunden (auch bei offenen Beinen) und als blutstillende Pflanze eingesetzt. Auch bei leichten Magenbeschwerden, Darmstörungen, Durchfall und zur Kräftigung der Blasenmuskulatur wurde der Tee verwendet. Tuberkulosekranke tranken ihn gegen den Nachtschweiß. Vogelknöterich ist in vielen Blutreinigungstees enthalten, um den Stoffwechsel anzuregen. Sebastian Kneipp schätzte ihn sehr, er habe eine reinigende Kraft nach innen auf Niere, Leber, Magen und Brust. Von ihm stammt auch ein Rezept für einen Tee bei Harn-, Grieß- und Steinleiden, in dem Vogelknöterich zusammen mit Ackerschachtelhalm, Hafer und Ginster enthalten ist.

In der chinesischen Medizin wird Vogelknöterich bei schmerzhaften Harnwegsinfektionen verwendet, bei zu starker Menstruation und bei Durchfall.

Wirkung auf die Psyche

Der Vogelknöterich wird auch Wegtritt genannt und beschreibt damit die Eigenart, immer zäher und widerstandsfähiger zu werden, je mehr auf ihm herumgetreten wird. Diese Fähigkeit, niemals aufzugeben und immer weiter zu machen und trotzdem wunderschöne Blüten hervorzubringen, überträgt er mit jeder Tasse Tee auf den Menschen, der ihn trinkt.

Die Möglichkeiten, den Vogelknöterich gegen Fatigue und Burnout anzuwenden, werden gerade in Südkorea erforscht.

Dosis/Dosierung

Tagesdosis 4–6 g.

Darreichungsformen und Zubereitungen

Behandlungsempfehlung

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Tee

2 TL (1 TL = 1,5 g) getrocknetes Vogelknöterichkraut mit 250 ml Wasser übergießen, zum Sieden erhitzen, 10 Min. ziehen lassen. 3- bis 5-mal täglich eine Tasse.

Spülung zur Stärkung der Mundschleimhaut

5 g Vogelknöterichkraut mit 500 ml Wasser übergießen, zum Sieden erhitzen, 10 Min. ziehen lassen, mehrmals täglich gurgeln. Über den Tag verteilt trinken.

Nierenreizungen

1 TL Vogelknöterichkraut in 150 ml Milch (aufkochen, absieben und schluckweise 2–3 Tassen pro Tag trinken. Sie krampflösende Wirkung wird verstärkt, weil der noch unbekannte krampflösende Inhaltsstoff in dem Fettanteil der Milch besser löslich ist.

Behandlungsempfehlung

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Bewährte Fertigarzneimittel

Kombinationspräparate: Alpenkraft Bronchial Husten-Sirup (+ viele andere Kräuter).

Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindiaktionen

  • Nebenwirkungen, Kontraindikationen: Es sind keine bekannt.
  • Interaktionen: Bei Harnwegsinfekten muss reichlich Flüssigkeit getrunken werden. Beim Vorliegen von Ödemen infolge eingeschränkter Herz- und Nierentätigkeit soll eine Durchspülungstherapie mit Vogelknöterichkraut nicht durchgeführt werden.