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Taping - Grundlegendes zur Anwendung in der Schmerztherapie

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Taping

Grundlegendes zur Anwendung in der Schmerztherapie

Schmerzen sind subjektive Wahrnehmungsreize und werden von jedem Menschen unterschiedlich stark empfunden und verarbeitet. Ausgehend vom Schmerzort können der somatische (Oberflächen- und Tiefenschmerz), der viszerale (Organschmerz) und der neuropathische Schmerz (Nervenschmerz) unterschieden werden (s. chronischer Schmerz).

Schmerzweiterleitung

In der Haut, der Muskulatur, den inneren Organen und den Gelenken befinden sich die Nozizeptoren. Diese werden auch als Schmerzrezeptoren bezeichnet und lassen sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Fasereigenschaften in C-Fasern (dumpfer Schmerzcharakter) und Aδ-Fasern („heller“, stechender Schmerz) einteilen. Sie leiten die Schmerzreize zum Rückenmark weiter, die von dort aus verschaltet werden. Vom Rückenmark aus gelangen die Reize zum Gehirn und passieren den Thalamus („Tor des Bewusstseins“). Dieser filtert die Reize und lässt nur einen Teil in das Großhirn. Dort werden die Reize dann „bewusst“ wahrgenommen.

Nach der Gate-Control-Theorie von Melzack und Wall (Quelle: Melzack R, Wall PD. Pain mechanisms. A new theory. Surv Anesthesiol 1967; 11(2), 89–90) wird das „Tor zum Bewusstsein“ durch unterschiedliche Einflussfaktoren vergrößert oder auch verkleinert. Dies geschieht sowohl in die eine (vom Gehirn zum Reizort) wie auch in die andere Richtung (vom Reizort zum Gehirn). Zu den möglichen Faktoren, die die Schmerzreize von „innen“ heraus beeinflussen, zählen z. B. individuelle psychische bzw. geistige und hirnorganische Erkrankungen. „Äußere“ beeinflussende Faktoren sind beispielsweise das Umfeld, der Kontakt zum Behandler oder die angewendete Therapiemethode.

Wirkungsweise der Tapes

Die über Nozizeptoren wahrgenommenen Schmerzreize werden über spezielle Neurone im Rückenmarkhinterhorn an das Gehirn weitergeleitet. Auf der segmentalen Ebene sind die Hinterhornneurone über Interneurone mit α- und γ-Motoneuronen im Vorderhorn verbunden, sodass eine unmittelbare Reaktion auf den schmerzauslösenden Reiz erfolgen kann (z. B. das Wegbewegen der Hand von einer heißen Herdplatte). Studien von Jänig (Jänig W. Spinal visceral afferents, sympathetic nervous system and referred pain. In: Vecchiet L, Albe-Fessard D, Eds. New trends in referred pain and hyperalgesia; 1993: 83–98), Schmidt (Quelle: Schmidt RF. Physiologie und Pathophysiologie der Schmerzentstehung und Schmerzverarbeitung im Bewegungssystem. Schmerz 1991, 5 (Suppl 1): S13–S28), Thews und Fritz (Quelle: Thews F, Fritz U. TCM und Akupunktur in Merksätzen. 3. Aufl. Stuttgart: Haug; 2018) sowie Zimmermann (Quelle: Zimmermann M. Physiologie von Nozizeption und Schmerz. In: Basler H-D, Hrsg. Psychologische Schmerztherapie. 5. Aufl. Berlin, Heidelberg: Springer; 2004: 17–58) ergaben, dass die α-Motoneurone durch propriozeptive Afferenzen gehemmt werden, sodass man sich diesen grundlegenden Mechanismus beim Taping zunutze machen kann. Durch die Applikation von Tapes findet eine propriozeptive Reizsetzung auf das darunterliegende Gewebe statt, die durch die Bewegung des Patienten verstärkt wird. Die Nozizeption wird somit durch die Propriozeption gehemmt, was zu einer Verminderung der Schmerzwahrnehmung führt.

Außerdem trägt das Tape zur Muskelrelaxation, zur Verbesserung der Durchblutung und zur Verringerung muskulärer Dysbalancen bei. Dies könnte auch die Wirkung des Tapes in Bezug auf somatischen, viszeralen und neuropathischen Schmerz erklären.

Schmerzgedächtnis

Das Schmerzgedächtnis bezeichnet die Fähigkeit des Gehirns, erlebte Schmerzreize im Gehirn zu verankern. Bestehen diese dauerhaft, kann von chronischem Schmerz gesprochen werden. Dabei wird Schmerz empfunden, obwohl dieser am eigentlichen Schmerzort nicht mehr vorhanden ist (s. chronischer Schmerz).

Aufgrund der neuronalen Plastizität des Gehirns verändern sich die Hirnstrukturen zeitlebens. Dies kann beispielsweise beobachtet werden, wenn Körperbereiche bzw. die Extremitäten nicht mehr oder nur noch teilweise ihre Funktion erfüllen, z. B. bei Lähmungen nach einem Schlaganfall oder nach Amputationen von Körperteilen. Andersherum kann sich durch den starken Gebrauch von Körperteilen wie Extremitäten, z. B. beim Erlernen eines Instruments das entsprechende Hirnareal der Finger und der Hand, vergrößern. Übernehmen Hirnstrukturen einen Teil der Aufgaben anderer (geschädigter) Hirnareale, kommt es zu einer Überlappung von Aufgabengebieten und zu einer Reorganisation im Gehirn. Hierbei wird vom Remapping bzw. von der kortikalen Reorganisation gesprochen (Quelle: Koller T. Werkzeug gegen Schmerzen. Physiopraxis 2013; 4(13): 30–33).

Lernprozesse: klassische und operante Konditionierung

Auf die Chronifizierung von Schmerzen haben außerdem Lernprozesse wie die Konditionierung einen Einfluss.

Führt ein zuvor unkonditionierter bzw. neutraler Reiz durch eine entsprechende Reaktion (Wirkung) zu einem konditionierten Reiz, spricht man von klassischer Konditionierung. Anhand eines Beispiels aus der Praxis lässt sich dieser Effekt gut nachvollziehen: Immer wenn der Patient eine Beugung im Handgelenk durchführt, verspürt er an immer derselben Stelle einen stechenden Schmerz. Hält dieser ausreichend lange an, kann die Schmerzwahrnehmung durch das immer gleiche Reiz-Reaktions-Prinzip (Bewegung = Schmerz) aufrechterhalten werden, auch wenn die Verletzung bereits abgeheilt ist.

Bei der operanten Konditionierung handelt es sich um das Lernen durch Bestrafung und Belohnung. Auch hier soll ein kurzes Beispiel aus der Praxis gegeben werden: Ein Patient mit Hüftschmerzen wird immer häufiger von seinen Kollegen aufgrund des „komischen“ Gangbilds belächelt und verspottet; dies entspricht einer Bestrafung, die dazu führen kann, dass der Schmerz chronifiziert. Umgekehrt ist es auch möglich, dass der Patient mit Hüftschmerzen weniger Schmerz wahrnimmt, wenn er von seinen Kollegen für seine Willenskraft und Einsatzbereitschaft gelobt wird.