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Pflanzenheilkunde

Wacholder (Juniperus communis)

Zypressengewächse

Abbildung 1. Wachholder, Pflanzen mit Blättern und Beeren.
Abbildung 1. Wacholder, Pflanze mit Blättern und Beeren.

Geschichte

Wacholder wird überall, wo er wächst, verehrt und genutzt. Die Grenze zwischen Genussmittel, Gewürz und Heildroge ist nur bei wenigen Pflanzen so fließend wie beim Wacholder. 1550 v. Chr. schon im Papyrus Ebers erwähnt, galt die Wacholderbeere bei den Alten als geschätzte Heilpflanze. Außer der gesund erhaltenden Wirkung brachte der aus Wacholderbeeren gebrannte Trank auch die Fähigkeit in die Zukunft zu schauen.

Der Wacholder ist ein Wach-halter, ein Weckholder oder auch ein Quick(lebendig)holder. Wanderer ruhten sich gerne unter einem Wacholderbusch aus und konnten nach kurzer Zeit geradezu verjüngt die Reise fortsetzen. Seine nie versiegende Lebenskraft war ein Symbol für das Leben, das nie stirbt – auch nicht in der dunklen Jahreszeit – weder in der Natur, noch im Menschen. Lebensbaum oder Baum des Lebens hieß er auch. Im Wacholder verehrte man die Ahnen – deswegen ist er so häufig auf Friedhöfen zu finden. Wie das Märchen der Brüder Grimm „Vom Machandelboom“ erzählt, glaubten die Menschen, dass sich die Seelen Verstorbener im Wacholderbusch verbergen könnten. Frau Kranewitt ist ein noch älterer Name, der davon spricht, dass sich im Wachholder auch die Erdmutter zeigte und man sich in Nöten dort an sie wenden konnte.

Hildegard von Bingen verwendete Wacholderbeeren gegen Brustkrankheiten und Fieber. Der Rauch von Wacholderholz und -zweigen vertrieb Ungeziefer und böse Geister, schützte vor Ansteckung und falschem Zauber. Leonard Fuchs schrieb 1543 in seinem Kräuterbuch: „Der Rauch davon verjagt die Schlangen und die vergiftete Luft“ und empfiehlt die Anwendung gegen die Pest. Weiter heißt es: „Die Beeren sind dem Magen gut, denn sie kräftigen und stärken denselben.“ Die harntreibende Wirkung ist ihm auch bekannt.

Sebastian Kneipp lobt den Wacholderrauch zur inneren und äußeren Reinigung und als Schutz vor Ansteckung. Ebenso sollten die Beeren gekaut werden, das stärke die Abwehrkräfte, gebe einen guten Geschmack im Mund und fördere die Verdauung.

„Wo es nach Wacholder riecht, da hält sich der Teufel nicht auf“, so hieß es früher. In den Kirchen waren Wacholderbeeren häufig Ersatz für den teuren Weihrauch.

Die Schamanen Sibiriens und im Himalaya atmen den Rauch ein, wenn sie trommelnd in die andere Welt reisen wollen. Indianerfrauen trinken Wacholdertee, um die Geburt zu erleichtern. Im Engadin wurde die Milch zur Konservierung durch Wacholderzweige gesiebt.

Botanischer Steckbrief

Wacholder wächst als immergrünes Nadelgehölz auf Heiden, Magerrasen, lichten Nadelwäldern, von der Ebene bis hoch im Gebirge. Er ist sehr weit verbreitet und kann mit allen Temperaturen umgehen, er braucht lediglich genügend Licht zum Wachsen. Und er wächst sehr langsam, etwa nur einen Meter in zehn Jahren. Was so langsam wächst, wird sehr alt: Wacholder kann über 500 Jahre alt werden. Seine Gestalt ist schmal und aufrecht, die Blätter sind nadelförmig zusammengerollt, mit einem bläulich-weißen Mittelstreifen auf der Oberseite. In Büscheln zu dritt oder viert stehen die spitzen Nadeln an den Zweigen. Sie werden in einem Rhythmus von 3–4 Jahren abgeworfen. Wacholder ist zweihäusig, es gibt also männliche und weibliche Blüten an verschiedenen Büschen. Aus den im April blühenden, unscheinbaren Blüten bilden sich im Laufe von 3 Jahren zunächst unreife grüne Beeren, dann weißblaue und schließlich blauschwarze Beeren. Botanisch sind dies jedoch „Scheinbeeren“, da nach der Bestäubung nicht die Fruchtblätter (sie sind nicht vorhanden), sondern die drei obersten Schuppenblätter fleischig wie eine Frucht um die Samenanlage herum wachsen und diese einhüllen (botanisch: Beerenzapfen).

Als Arzneidroge verwendet werden die Beeren (Juniperi fructus). Bei Vollreife enthalten sie einige hellbraune Samen. Wacholderbeeren sind zu erkennen an einem charakteristischen dreistrahligen Stern, Berührungspunkt der Ränder der drei Fruchtschuppen. Erntezeit für die reifen Beerenzapfen mit ihrem typischen Geruch ist der Oktober. Sie werden abgeschüttelt oder abgeklopft und auf Leinentüchern aufgefangen. Unreife Früchte werden herausgelesen, der Rest wird an der Luft getrocknet.

Merke

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Der Wacholderbusch steht unter Naturschutz, die Beeren dürfen geerntet werden.

Signatur

Die botanische Bezeichnung leitet sich ab vom Lateinischen junior = der Jüngere und parere = erscheinen. Vielleicht ist damit die ewig junge Erscheinung des Wacholders gemeint, vielleicht die Tatsache, dass reife und unreife Früchte gleichzeitig an seinen Zweigen zu finden sind, vielleicht aber auch, dass er ein Jungbrunnen für die Menschen bedeutet.

Seinen wehrhaften Charakter erkennt man bereits an den sehr stacheligen Nadeln. Diese Fähigkeit, sich zu wehren überträgt er auf all jene, die sich leicht von anderen beeinflussen lassen.

Wacholderbüsche stehen gerne frei in der Landschaft. Sie dulden es nicht, wenn sie durch andere Bäume bedrängt und beschattet werden. Im Karwendel-Gebirge oder auf der Schwäbischen Alb fanden sie optimale Wachstumsbedingungen.

Inhaltsstoffe, Wirkung und Anwendungsgebiete/Indikationen

Wacholderbeeren

Wacholderbeeren enthalten folgende wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:

  • ätherische Öle (mit Pinen und Terpinen) bis zu 3%
  • Flavonglykoside
  • Catechingerbstoffe
  • harz- und wachsartige Bestandteile
  • Leucoanthocyane
  • bis zu 33% Invertzucker (verantwortlich für den süßen Geschmack)

Wacholderbeeren haben folgende Wirkungen:

  • aquaretisch durch eine vermehrte Nierendurchblutung (GFR erhöht)
  • antiseptisch, desinfizierend und entzündungshemmend
  • spasmolytisch an der glatten Muskulatur

Wacholderöl

Das ätherische Wacholderöl wird durch Destillation der Beeren gewonnen. Der Geschmack ist brennend, leicht bitter.

Wacholderöl hat folgende Wirkungen:

  • choleretisch
  • Förderung der Darmmotilität, dadurch Tonisierung des Uterus
  • expektorierend und bronchospasmolytisch

Vorsicht

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Durch die Förderung der Darmmotilität wird auch die Tonisierung des Uterus verstärkt. Deswegen darf Wacholder nicht während der Schwangerschaft angewendet werden, da er Wehen auslösen kann.

Anwendungsgebiete/Indikationen

Wacholderbeeren werden angewendet bei folgenden Indikationen:

  • Harnwegserkrankungen:
    • Durchspülungstherapie bei Harnwegserkrankungen, sie aktivieren die Nieren, regen Harnbildung und Harnausscheidung an (auch bei einer „Frühjahrskur“)
    • rezidivierende Harnwegsentzündungen mit wiederholter Keimbesiedelung durch wechselnde Erreger
  • Erkrankungen des Bewegungsapparats:
    • rheumatische Erkrankungen, Gicht
    • Arthrosen
    • Myogelosen (auch äußerlich die schmerzenden Gelenke oder Muskeln mit Wacholdertinktur einreiben)
  • Erkrankungen des Verdauungstrakts:
    • mangelnde Verdauung, Appetitmangel, schwacher Magen
    • Aufstoßen, Sodbrennen, Völlegefühl
    • Mundgeruch (1–2 Beeren ¼ Stunde vor dem Essen kauen)
  • geschwächtes Immunsystem
  • schwache Menstruation

Fallbeispiel

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Julius D. litt unter Heuschnupfen, der je nach Stresslage zu allen Jahreszeiten immer mal wieder akut wurde. Der Test auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten zeigte keine der vermuteten Unverträglichkeiten, lediglich der Wacholder zeigte an. „Oh, mein Gin…“ sagte er nur. Er sei ein Feinschmecker, der gerne zur Verdauung nach dem Essen ein Gläschen Gin trank, sein absolutes Lieblingsgetränk. Es war nicht leicht, ihn davon zu überzeugen, dass er darauf verzichten müsse. Aber es gelang ihm immer besser und bald war auch der Heuschnupfen verschwunden.

Indikationen nach Monografien

Wacholder und seine Beeren erhielten eine Positivmonografie von HMPC, ESCOP und Kommission E. Das HMPC stuft ihn als traditionelles Mittel ein, unterstützend anzuwenden zur Durchspülung der Harnwege bei leichten Harnwegsbeschwerden. Außerdem bei dyspeptischen Beschwerden und Blähungen. Äußerlich kann er bei leichten Muskel- und Gelenkschmerzen eingesetzt werden.

Auch die ESCOP empfiehlt Wacholder und seine Zubereitungen zur Verbesserung der renalen Wasserausscheidung und bei dyspeptischen Beschwerden inklusive Appetitlosigkeit. Die Kommission E nennt nur dyspeptische Beschwerden als Anwendungsgebiet.

Indikationen nach Erfahrungsheilkunde

Die Nieren werden auch als das „Organ der Angst“ bezeichnet. Oft ist es die Angst, die „einem an die Nieren geht.“ Nieren und auch Nebennieren leiden unter Dauerstress. Wacholder stärkt auch die Nebennieren. Das kann z.B. beim Ausschleichen von Kortisonpräparaten hilfreich sein.

Kombinationen mit anderen nierenwirksamen Heilpflanzen wie Birkenblättern oder Orthosiphonkraut in Blasen-Nierentees sind sinnvoll.

Anwendung in anderen Therapiebereichen

In der Gemmotherapie wird Juniperus communis zur Anregung der Nieren, zur Blutreinigung und zur Entgiftung über die Leber verwendet. Das ist hilfreich bei Gelenkbeschwerden, Gicht, Cholesterinämie und Hyperglykämie.

In der Homöopathie findet Juniperus communis Verwendung bei alten Menschen mit schlechter Verdauung und spärlicher Urinabsonderung.

Wirkung auf die Psyche

Im Wacholder wohnt die Lebenskraft. Doch Wacholder macht nicht nur wach, er reinigt Atmosphäre und Aura, er schafft Raum – Raum zum Atmen, für Klarheit, Achtsamkeit und Licht, er nimmt die Angst, vermittelt Schutz, Wärme und Sicherheit, lässt wieder festen Boden unter den Füßen spüren. Und er richtet auf und bringt innere Stabilität.

Dosis/Dosierung

Tagesdosis 2–10 g der getrockneten Wacholderbeeren maximal.

Darreichungsformen und Zubereitungen

Behandlungsempfehlung

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Kaltauszug

Ein Kaltauszug ist besser verträglich als der Tee: 2–3 g angequetschte Wacholderbeeren mit ¼ l kaltem Wasser übergießen und nach 10–12 Stunden abseihen. Davon täglich 2–3 Tassen schluckweise über den Tag verteilt trinken.

Wacholderbeerenkur nach Kneipp gegen rheumatische Beschwerden

Man beginnt damit, 3-mal täglich eine Beere wie Kaugummi zu kauen und schließlich herunterzuschlucken. Täglich um eine Beere steigern, bis man bei 3-mal 15 Beeren pro Tag angelangt ist. In umgekehrter Reihenfolge wird die Kur beendet, bis man wieder mit 3-mal 1 Beere aufhört. Dann ist eine Pause von mindestens drei Monaten erforderlich.

Herbstkur für Rheumatiker

Hier genügt es drei Wochen lang täglich 2– 4 Beeren gründlich zu kauen.

Merke

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Übrigens: Die Meinung, dass Wacholder das Nierengewebe zu stark reize, ist durch neuere Forschungen widerlegt.

Behandlungsempfehlung

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Bewährte Fertigarzneimittel

Kombinationspräparate: Wala Nierentonikum (+ Birkenblätter), Kneipp 3-Kräuter-Entwässerung (+ Brennnessel, Petersilienwurzel).

Nebenwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen

  • Nebenwirkungen: Bei äußerlicher Anwendung gibt es gelegentlich allergische Hautreaktionen; bei einer Überdosierung des ätherischen Öls riecht der Harn veilchenartig und es treten Schmerzen im Nieren-Blasenbereich auf.
  • Interaktionen:
    • Werden Wacholderbeeren oder Wacholderbeeröl zur Durchspülungstherapie verwendet, muss reichlich Flüssigkeit getrunken werden.
    • Von einer Kombination mit synthetischen entwässernden Arzneimitteln (Diuretika) wird abgeraten.
  • Kontraindikationen:
    • Während der Schwangerschaft sollte Wacholder gemieden werden.
    • Akute oder chronische Nierenentzündungen